zurück

 

Schach vor fast 100 Jahren spannend wie heute
Dr. Andreas Klein referierte über historische Turniere in Bad Kissingen

Dr. Andreas Klein, selbst Spieler in der ersten Mannschaft der Schachvereinigung Lauterbach, referierte im Hotel Johannesberg im Rahmen der Spielabende der SVG über seine Recherchen „Auf den Spuren von Capablanca und Aljechin in Bad Kissingen“. Der Kurort in der bayerischen Rhön war vor rund 100 Jahren mehrfach Austragungsort bedeutender Großmeisterturniere und Weltmeisterschaften. Zahlreiche Großmeister, die auch heute noch für jeden interessierten Schachspieler ein Begriff sind, wie der deutsch-britische GM Mieses, der Niederländer Max Euwe, der Österreicher Richard Réti und der Engländer Yates, aber auch mehrere Amerikaner und - als wohl schillerndste Persönlichkeiten - der cubanische Ex-Schachweltmeister Raul Capablanca und später dann der damals neue Weltmeister Alexander Aljechin verliehen dem Kurort Bedeutung und internationalen Flair.

Anhand von historischen Bildern und selbst fotografierten Aufnahmen brachte Klein den Zuhörern die Atmosphäre näher. Prachtvoll schöne Gebäude und Parks boten und bieten ein gediegenes Ambiente für den Schachsport, der sich in vielen Dingen inzwischen geändert hat. Vor rund 100 Jahren war es eine fast reine Männerdomäne und mehr noch denn heute ein Gentlemensport, bei dem die Spieler im Anzug gegeneinander antraten und ihnen eine hohe gesellschaftliche Achtung entgegen gebracht wurde. Klein berichtete von einem Großmeisterturnier in Bad Kissingen im Jahr 1928, bei welchem Raul Capablanca teilnahm, das aber von dem Russland-Deutschen Efim Boguljubow gewonnen wurde. Dem Referenten, der sich vorrangig auf das von Savielly Tartakower verfasste Turnierbuch und auf lokale Quellen stützte, war es gelungen, Aufnahmen vom originalen Spielort zu beschaffen und das Gruppenfoto von damals genau zu lokalisieren. Eine Episode am Rande: auf einer Postkarte von 1928, die Klein in einem Antiquariat gekauft hatte und auf dem eine Menge Menschen beim Kurkonzert im Park zu sehen waren, gelang es ihm später, mit Réti und Yates zwei der Schachmeister aus dem Turnier zu identifizieren.

Klein schilderte Capablanca als Naturtalent, der ein ungeheures Talent für das Positionsspiel besaß. Dieser dritte Schachweltmeister wurde 1927 von Alexander Aljechin abgelöst, der im Gegensatz dazu ein harter Arbeiter und Kämpfer am Brett war. Der Wettkampf dieser beiden war somit ebenso ein Kampf zweier grundverschiedener Persönlichkeiten wie der zwischen Anatoli Karpov und Garry Kasparov, der in den 1980-er Jahren die Menschen faszinierte. Aljechins Titelverteidigung gegen Efim Boguljubow im nationalsozialistischen Deutschland fand neben anderen Städten auch in Bad Kissingen statt. Auch diesem Wettkampf spürte Klein in seinem Vortrag nach.

Zum Ende zeigte der Referent noch zwei Meisterpartien, eine von Capablanca aus dem Turnier von 1928 gegen Boguljubow sowie eine von Boguljubow gegen Aljechin aus dem WM-Kampf. Überdeutlich wurden hierbei die verschiedenen Stile beider Weltmeister: von der allmählichen Übernahme der Kontrolle durch Capablanca hin zur messerscharfen Kombinatorik Aljechins. Die Partien wurden unter den zahlreich anwesenden Schachspielern – nicht nur Mitglieder des Lauterbacher Schachvereins – rege diskutiert und analysiert, wobei auf Computerunterstützung bewusst verzichtet wurde. Denn vor allem der Computer ist es, der – obwohl er natürlich nur im Training eingesetzt werden darf, das Schachspiel in den letzten Jahrzehnten verändert hat. Dennoch, so resümierte Klein zum Abschluss seines sport- und kulturhistorischen Vortrags, wären die Weltmeister von damals auch heute noch unter den Top-Spielern zu finden.